Entscheidungen treffen leicht gemacht: Vom Alltagsstress zur entspannten Wahl
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Kennst du das? Du stehst vor dem Kleiderschrank und überlegst minutenlang, was du anziehen sollst. Oder du scrollst endlos durch das Streamingportal, ohne dich für einen Film zu entscheiden. Vielleicht grübelst du aber auch seit Monaten über einen Jobwechsel nach, ohne einen Schritt zu tun. Keine Sorge, so geht es jedem hin und wieder. Wenn du aber das Gefühl hast, dass du dadurch viel Zeit verschwendest oder wichtige Sachen verpasst, weil du dich nicht entscheiden kannst, dann findest du hier Lösungsideen und Denkanstöße, die dir helfen das Treffen von Entscheidungen zu vereinfachen.
Entscheidungen treffen: Warum entscheiden wir uns so ungern?
Die „Entscheidungsschwäche“, die viele bei sich selbst diagnostizieren, ist kein persönliches Versagen – sie hat handfeste psychologische Gründe. Unser Gehirn ist evolutionär darauf programmiert, Risiken zu vermeiden. Eine falsche Entscheidung könnte theoretisch gefährlich sein, daher zögern wir instinktiv.
Hinzu kommt das Phänomen der „Entscheidungsmüdigkeit“ (Decision Fatigue): Forscher haben nachgewiesen, dass unsere Entscheidungsfähigkeit eine begrenzte Ressource ist, die im Laufe des Tages erschöpft wird. Je mehr Entscheidungen wir treffen müssen, desto schwerer fallen uns weitere – unabhängig von ihrer Wichtigkeit.
Der Weg zu besseren Entscheidungen
Die drei Gesichter unserer Entscheidungen
Nicht alle Entscheidungen sind gleich. Für ein entspannteres Leben lohnt es sich, zwischen verschiedenen Arten zu unterscheiden:
1. Wichtige Lebensentscheidungen
Sie betreffen Bereiche, die langfristige Auswirkungen auf unser Leben haben: Berufswahl, Wohnortwechsel, Beziehungsfragen. Hier ist bewusstes Abwägen sinnvoll. Aber Achtung: Gerade hier blockieren wir uns oft selbst durch Überanalyse.
Denn anders als „früher“ lassen sich heute auch der Wohnort und der Beruf leichter anpassen, als wir vielleicht denken. Klar, das ist mit größerem Aufwand verbunden, aber viele schwere Entscheidungen lassen sich wieder ändern, wenn sie einem wirklich gar nicht taugen sollten.
2. Schnelle, intuitive Entscheidungen
Der größte Teil unseres Alltags besteht aus kleinen Entscheidungen, die wir blitzschnell treffen sollten: Was esse ich zum Frühstück? Welchen Weg nehme ich zur Arbeit? Diese verdienen selten die Zeit, die wir ihnen oft widmen.
Hier können wir mit Gewohnheiten und Routinen einiges an Aufwand und Energie sparen und leichter Entscheidungen treffen. Ein fixes Frühstück, ein paar passend zusammengestellte Outfits, eine kurze Liste an möglichen Entspannungsaktivitäten – schon haben wir eine begrenzte Auswahl und können eine gezielte Entscheidung treffen.
3. Unbewusste Entscheidungen
Viele unserer Handlungen sind automatisierte Prozesse, die wir kaum wahrnehmen: die morgendliche Routine, der Griff zum Smartphone. Diese unbewussten Muster können uns unterstützen oder sabotieren – je nachdem, wie bewusst wir sie gestalten.
Deshalb lohnt es sich, hin und wieder genauer zu beobachten, welche Gewohnheiten sich eingeschlichen haben. Meist sind es weniger erwünschte, aber für unser Gehirn sehr lohnenswerte: das Glas Wein nach Feierabend, die Schokolade beim Film, das Scrollen durch Apps, wenn wir irgendwo warten. Dann liegt es an uns aktiv zu entscheiden, ob wir diese Routinen beibehalten wollen oder nach Alternativen suchen.
Entscheidungsfallen erkennen
Bevor wir zu den Techniken der Entscheidungsfindung kommen, sollten wir verstehen, was uns beim Treffen von Entscheidungen blockiert:
- Perfektionismus: Die Suche nach der „perfekten“ Entscheidung lähmt uns oft, da es sie selten gibt.
- Überinformation: Mehr Daten führen nicht automatisch zu besseren Entscheidungen, sondern oft zu Lähmung.
- Angst vor Fehlern: Die Sorge, die „falsche“ Wahl zu treffen, kann uns komplett blockieren.
- FOMO (Fear of Missing Out): Die Angst, etwas anderes zu verpassen, wenn wir uns für einen Weg entscheiden.
- Soziale Anpassung: Die Sorge, andere mit einer Entscheidung vor den Kopf zu stoßen oder zu verärgern oder enttäuschen, kann das Entscheidungen treffen unnötig verzögern – vor allem, wenn wir gar nicht genau wissen, ob es negative Reaktionen geben wird, sondern es nur annehmen.
Tipp: Wenn du dich das nächste Mal nicht entscheiden kannst, überlege an welchem der Punkte du hängst und ob diese Blockade wirklich angemessen ist für die Sache, um die es geht. Wenn man sich nicht entscheiden kann, dann liegt es auch manchmal daran, dass man die Auswirkungen falsch einschätzt.
Brauchst du wirklich noch mehr Informationen, oder ist es wirklich so wichtig, dass es die perfekte Entscheidung ist? Oder geht es nur um eine Aktivität, die morgen schon wieder vorbei ist? Denkst du, dass du jemanden verärgerst, wenn du so entscheidest, wie du gerne möchtest? Ist das wirklich so, oder denkst du das nur und könntest es mit einem klärenden Gespräch aus dem Weg räumen?
Methoden für wichtige Entscheidungen
Bei großen Lebensentscheidungen hast du sicher schon eine sinnvolle Pro- und Contra-Liste erstellt oder einen Entscheidungsbaum aufgezeichnet und die Meinung von anderen Personen eingeholt, denen du vertraust.
Wenn du dich danach immer noch nicht entscheiden kannst, gibt es noch diese 3 Methoden, um eine abschließende Entscheidung zu treffen:
Die 10/10/10-Methode
Frage dich: Wie werde ich mich in 10 Minuten, 10 Monaten und 10 Jahren mit dieser Entscheidung fühlen? Diese Methode hilft, kurzfristige Emotionen von langfristigen Konsequenzen zu trennen und die Wichtigkeit einzuordnen.
Der Bauchgefühl-Test
Wirf eine Münze – nicht um die Entscheidung der Münze zu überlassen, sondern um deine Reaktion auf das Ergebnis zu beobachten. Bist du enttäuscht vom Ergebnis? Dann weißt du bereits, was du wirklich willst.
Die Regret-Minimierung
Frage dich bei wichtigen Entscheidungen: „Werde ich mit 80 Jahren bereuen, dies nicht getan zu haben?“ Diese Perspektive hilft, das wirklich Wichtige zu erkennen.
Alltägliche Entscheidungen beschleunigen
Für die vielen kleinen Entscheidungen des Alltags gilt: Vereinfachen und automatisieren!
Die 2-Minuten-Regel
Wenn eine Entscheidung weniger als 2 Minuten zum Nachdenken benötigt, triff sie sofort. Bei längerem Grübeln steht der Aufwand meist in keinem Verhältnis zum Nutzen.
Entscheidungsrituale etablieren
Feste Routinen ersparen Entscheidungsstress: Der vorgeplante Wocheneinkauf, die am Vorabend ausgewählte Kleidung oder die gepackte Sporttasche reduzieren die tägliche Entscheidungslast erheblich. Und schon hast du mehr Zeit und Kapazitäten für wichtigere Entscheidungen, die dich langfristig weiterbringen.
Entscheidungskontingente festlegen
Reserviere deine beste mentale Energie für wichtige Entscheidungen. Steve Jobs trug jeden Tag den berühmten schwarzen Rollkragenpulli, um seine Entscheidungskapazität für Wichtigeres aufzusparen. Belaste dich nicht unnötig mit Kleinkram, der für deine generelle Zufriedenheit unerheblich ist.
Unbewusste Entscheidungen bewusst steuern
Unsere Umgebung und Gewohnheiten beeinflussen unsere unbewussten Entscheidungen. Nutze dies zu deinem Vorteil:
Umgebungsdesign
Stelle die Obstschale sichtbar auf, verstecke die Süßigkeiten. Platziere das Sportoutfit am Abend neben dem Bett. Diese kleinen Veränderungen beeinflussen deine unbewussten Entscheidungen positiv.
Wenn-Dann-Pläne
Formuliere konkrete Handlungsabsichten: „Wenn Situation X eintritt, dann tue ich Y.“ So hast du die Entscheidung schon vorab getroffen und kannst automatisch handeln. Beispiel: „Wenn ich 5 Minuten Zeit habe, dann suche ich nach einem Geschenk“. Wenn du das nächste Mal dein Smartphone zur Ablenkung in die Hand nimmst, dann hast du einen aktiven Auftrag und verschwendest deine Zeit nicht mit Scrollen.
Micro-Commitments
Beginne mit dem kleinsten möglichen Schritt. Nicht „Ich gehe joggen“, sondern „Ich ziehe meine Laufschuhe an“. Diese Mini-Entscheidungen umgehen unseren inneren Widerstand.
Mehr Tipps, wie du mit Gewohnheiten und kleinen Anstößen deine Zeit bewusster steuerst und deine Ziele verfolgen kannst, findest du in diesem Artikel.
Man kann nicht NICHT entscheiden
Sich nicht zu entscheiden ist auch eine Entscheidung – meist mit negativen Folgen. Ungelöste Entscheidungen belasten unser Unterbewusstsein und erzeugen mentalen Stress, den Psychologen als „kognitive Last“ bezeichnen.
Die Kosten des Nicht-Entscheidens
Ökonomen sprechen von „Opportunitätskosten“: Was kostet es dich, wenn du die Entscheidung verzögerst? Zeit, Energie, nächtliches Drüber-Nachdenken? verpasste Chancen? Oft übersteigen diese Kosten die Risiken einer „falschen“ Entscheidung bei weitem.
Wollen wir nicht entscheiden, um nicht die Verantwortung übernehmen zu müssen, wenn etwas schief läuft? Dann können wir aber auch im Gegenzug keine Erfolge für uns verbuchen, die rein durch Zufall entstanden sind.
Wenn wir uns nicht einfach nur arrangieren wollen mit dem, was uns so passiert und uns immer als Opfer des Schicksals sehen wollen, dann müssen wir die Verantwortung für unser Leben und unsere Entscheidungen übernehmen. Denn die unsichtbaren Kosten der nicht genutzten Möglichkeiten oder der Angst vor Veränderung sind hoch und können sich später ebenfalls als Fehler herausstellen.
Es gibt fast keine falschen Entscheidungen
Und es gibt nur sehr wenige „falsche“ Entscheidungen, viel weniger als wir immer denken. Es gibt gute Entscheidungen und weniger gute, die wir dann korrigieren können. Fast nichts ist unumkehrbar, außer es geht um Leben und Tod. Der ganze große Rest wird immer für viel wichtiger und dramatischer genommen, als die einzelnen Entscheidungen in Wahrheit sind.
Im Nachhinein kann man natürlich die ein oder andere Entscheidung als falsch bewerten, aber das unterliegt dann dem klassischen Rückschau-Fehler. Heute wissen wir mehr als damals und aus heutiger Sicht war die Entscheidung vielleicht falsch, aber das sagt nichts darüber aus, ob sie damals falsch war. Wir können alle nicht hellsehen!
Auch die Alternativen, gegen die wir uns entschieden haben als wir eine Entscheidung getroffen haben, können wir im Nachhinein zwar als die bessere Wahl ansehen – ob sie sich aber wirklich als besser herausgestellt hätte, können wir niemals wissen. Von außen sieht immer alles besser aus als von innen.
Aus früheren Entscheidungen lernen & loslassen
Sei nicht zu hart zu dir hinsichtlich deiner vergangenen Entscheidungen, sondern überlege, ob du etwas daraus lernen kannst und dann schau in die Zukunft und nicht mehr zurück. Wir haben vieles nicht in der eigenen Kontrolle und Entscheidungen zu vermeiden, nur weil sie sich später als suboptimal herausstellen könnten, bringt auch nichts. Dann entscheidet das Leben für uns und das kann noch schlechter enden. Wir können uns dann zwar einreden, dass das Leben schuld ist, aber besser geht’s uns deshalb trotzdem nicht.
Den Entscheidungsstau auflösen
Erstelle eine Liste aller ausstehenden Entscheidungen und kategorisiere sie:
- Sofort entscheiden (kleine Dinge)
- Informiert entscheiden (wichtige Dinge mit Recherchebedarf)
- Delegieren (was andere entscheiden können)
- Eliminieren (unwichtige Entscheidungen streichen)
Fazit: Entscheiden mit weniger Stress
Entscheidungen treffen gehört zum Leben, doch das muss keinen Stress verursachen. Mit diesen Strategien kannst du deine Entscheidungsfindung optimieren:
- Wichtige Entscheidungen treffen, wenn dein mentales Energielevel am höchsten ist (das ist je nach Typ individuell).
- Kleine Entscheidungen automatisieren oder vereinfachen, um Entscheidungsmüdigkeit zu reduzieren.
- Entscheidungen öfter als Experimente betrachten statt als endgültige Festlegungen – das nimmt den Druck. Probiere einfach mal was aus und dann passe sie an, falls nötig.
- Die 70%-Regel anwenden: Wenn du 70% der nötigen Informationen hast, entscheide. Mehr Daten führen selten zu besseren Entscheidungen.
Letztendlich sind Entscheidungen keine Hindernisse, sondern Werkzeuge zur Gestaltung deines Lebens. Jede bewusst getroffene Entscheidung – ob groß oder klein – stärkt dein Gefühl der Selbstwirksamkeit und führt zu mehr Zufriedenheit.
Also atme tief durch, entspann dich und übe anhand ein paar kleinerer Entscheidungen, wie du zuversichtlich und mutig etwas entscheidest. Je öfter wir Entscheidungen treffen, umso leichter fällt es uns und umso schneller geht es, weil wir Selbstvertrauen in unsere Intuition und Entscheidungen bekommen.
Probiere es gleich aus: Welche kleine Entscheidung, die du seit Tagen vor dir herschiebst, kannst du in den nächsten 5 Minuten treffen? Oder welche unwichtige Entscheidung kannst du von deiner mentalen To-Do-Liste streichen?
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